Viele produzierende Unternehmen stehen vor einer zentralen Herausforderung: Ihre Maschinenparks sind über Jahre gewachsen, doch ein großer Teil der Anlagen stammt aus einer Zeit vor der Digitalisierung. Diese oft heterogenen Maschinenparks, mit unterschiedlichen Herstellern und Technologien, scheinen auf den ersten Blick nicht bereit für die Anforderungen einer vernetzten Produktion und Industrie 4.0. Doch genau hier setzt das Konzept des Retrofit an.
Anstatt teure Neuinvestitionen zu tätigen, können bestehende Maschinen durch gezielte Nachrüstungen fit für die digitale Zukunft gemacht werden. Moderne Schnittstellen, Sensorik und Softwarelösungen ermöglichen es, auch ältere Anlagen in Echtzeit zu überwachen, Daten auszuwerten und Produktionsprozesse zu optimieren. Der Clou: Unternehmen können ihre vorhandene Infrastruktur nutzen, Kosten sparen und dabei trotzdem von den Vorteilen der Digitalisierung profitieren.
Was bedeutet Retrofit(ting)?
Retrofit ist ein Begriff, der immer häufiger im Kontext der Digitalisierung und Modernisierung von Produktionsanlagen fällt und beschreibt die gezielte Nachrüstung oder Modernisierung bestehender Maschinen und Anlagen, um diese auf den neuesten technischen Stand zu bringen. Es geht darum, das Bestehende zu bewahren und gleichzeitig mit neuen Technologien zu ergänzen.
Im Gegensatz zu einer vollständigen Neuanschaffung konzentriert sich Retrofit darauf, vorhandene Anlagen zu erhalten, ihre Lebensdauer zu verlängern und ihre Leistungsfähigkeit zu steigern. Typische Maßnahmen umfassen die Nachrüstung von Sensoren, die Integration von Schnittstellen zur Datenkommunikation oder die Implementierung moderner Steuerungs- und Überwachungssysteme.
Der große Vorteil: Retrofit ermöglicht es Unternehmen, schrittweise in die Digitalisierung einzusteigen. Es ist nicht notwendig, komplette Produktionssysteme auszutauschen, was immense Kosten und Produktionsstillstände mit sich bringen könnte. Stattdessen können bestehende Ressourcen genutzt und gezielt erweitert werden – ein Ansatz, der sowohl kosteneffizient als auch nachhaltig ist.
Herausforderungen bei älteren Maschinenparks
Ältere Maschinenparks stehen häufig im Widerspruch zu den Anforderungen der modernen Industrie 4.0. Viele dieser Anlagen wurden in einer Zeit entwickelt, in der Begriffe wie „IoT“ oder „Big Data“ noch Zukunftsmusik waren. Dies bringt spezifische Herausforderungen mit sich, die Unternehmen bewältigen müssen, um wettbewerbsfähig zu bleiben:
Technologische Heterogenität
Eine der zentralen Hürden ist die technologische Heterogenität. In vielen Fabriken besteht der Maschinenpark aus Anlagen verschiedener Hersteller, oft mit unterschiedlichen Steuerungssystemen und Fertigungstechnologien. Diese Maschinen kommunizieren nicht miteinander und sind nicht für die Vernetzung ausgelegt.
Fehlende Schnittstellen
Zudem fehlt es älteren Anlagen oft an den notwendigen Schnittstellen, um Daten in Echtzeit zu erfassen oder auszutauschen. Ohne Netzwerkanbindung bleiben wichtige Informationen über Maschinenzustände, Produktionsfortschritt oder Wartungsbedarf verborgen, was die Effizienz mindert und die Reaktionsfähigkeit einschränkt.
Investitionsrisiken
Ein weiterer Aspekt sind die Investitionsrisiken, die viele Unternehmen abschrecken. Die Befürchtung, dass Nachrüstungen zu langen Stillstandszeiten führen oder die Modernisierung nicht den gewünschten Nutzen bringt, sorgt für Zurückhaltung. Gleichzeitig stellen die steigenden Anforderungen an Produktivität, Qualität und Flexibilität Unternehmen vor einen Handlungsdruck, der sich kaum ignorieren lässt.
Retrofit bietet eine Lösung, um diese Herausforderungen zu bewältigen. Durch den Einsatz moderner Technologien kann die Lücke zwischen bestehenden Anlagen und den Anforderungen der Industrie 4.0 geschlossen werden – und das ohne die Notwendigkeit, den gesamten Maschinenpark auszutauschen.
Schlüsseltechnologien für ein erfolgreiches Retrofit
Damit ältere Maschinenparks die Anforderungen der digitalen Produktion erfüllen können, kommen spezielle Technologien zum Einsatz. Diese Schlüsseltechnologien schaffen die Grundlage für ein Retrofit und ermöglichen die Integration der Maschinen in moderne Produktionssysteme:
IoT-Schnittstellen und Sensorik
Eine der wichtigsten Maßnahmen beim Retrofit ist die Nachrüstung von Sensoren und IoT-fähigen Schnittstellen. Diese Komponenten erfassen Daten wie Temperatur, Vibrationen oder Produktionsgeschwindigkeit in Echtzeit. Dadurch wird die Grundlage für eine datenbasierte Steuerung und Überwachung geschaffen. Auch Maschinen ohne bestehende Kommunikationsoptionen lassen sich so in ein Netzwerk einbinden.
Echtzeitsysteme und Maschinenleitstände
Die Einführung von browserbasierten Maschinenleitständen ermöglicht es, den Status sämtlicher Anlagen übersichtlich in Echtzeit darzustellen. Solche Systeme aggregieren Daten und visualisieren wichtige Informationen, wie beispielsweise Maschinenstillstände oder Auslastungsgrade. Dies verbessert nicht nur die Transparenz, sondern auch die Entscheidungsfindung in der Produktion.
Qualitäts- und Track&Trace-Systeme
Moderne Retrofit-Lösungen beinhalten oft die Integration von Qualitätssicherungssystemen. Tools wie statistische Prozesskontrollen (SPC) helfen, die Produktqualität zu überwachen und zu dokumentieren. Zudem ermöglichen Track&Trace-Technologien die lückenlose Rückverfolgbarkeit von Produkten – ein entscheidender Vorteil, besonders in regulierten Branchen wie der Automobil- oder Medizintechnik.
Datenbanken und Dashboards
Für die effiziente Verarbeitung und Darstellung der erfassten Daten sind gut strukturierte Datenbanken und Dashboards essenziell. Diese ermöglichen es, komplexe Produktionsdaten in leicht verständlicher Form aufzubereiten und als Grundlage für Optimierungsmaßnahmen zu nutzen. Automatisierte Auswertungen reduzieren den manuellen Aufwand erheblich.
Steuerungs- und Automatisierungslösungen
Viele ältere Maschinen benötigen ein Upgrade ihrer Steuerungseinheiten, um kompatibel mit moderner Automatisierungstechnologie zu sein. Dies umfasst beispielsweise die Nachrüstung von speicherprogrammierbaren Steuerungen (SPS) oder die Integration von Robotiklösungen, um Prozesse effizienter zu gestalten.
Diese Technologien bilden die Bausteine für ein erfolgreiches Retrofit. Sie sorgen dafür, dass bestehende Maschinenparks fit für die Anforderungen der Industrie 4.0 werden – ohne aufwändige Neuanschaffungen.
Vorteile eines Retrofits im Vergleich zur Neuanschaffung
Die Entscheidung zwischen Retrofit und einer vollständigen Neuanschaffung ist für viele Unternehmen eine zentrale Frage. Retrofit bietet jedoch zahlreiche Vorteile, die diesen Ansatz zu einer attraktiven Alternative machen – insbesondere für Unternehmen, die Effizienz und Zukunftsfähigkeit mit überschaubaren Kosten kombinieren möchten.
Wir machen es kurz:
- Kosteneinsparung: Retrofit ist günstiger als eine Neuanschaffung, da bestehende Infrastruktur genutzt wird.
- Minimaler Produktionsstillstand: Nachrüstungen können oft im laufenden Betrieb durchgeführt werden.
- Nachhaltigkeit und Ressourcenschonung: Modernisierung spart Ressourcen und verbessert die Umweltbilanz.
- Verlängerung der Lebensdauer: Maschinen bleiben länger einsatzfähig und leistungsfähig.
- Flexibilität und Skalierbarkeit: Technologien können gezielt und schrittweise nachgerüstet werden.
- Erfüllung moderner Standards: Maschinen werden an aktuelle Anforderungen und Regularien angepasst.
Der Weg zum digitalen Maschinenpark: Wie Unternehmen starten können
Der Einstieg in ein Retrofit-Projekt mag zunächst komplex erscheinen, doch mit einem strukturierten Ansatz und dem richtigen Partner lässt sich der Übergang zum digitalen Maschinenpark erfolgreich gestalten.
1. Analysephase:
Der erste Schritt ist eine gründliche Bewertung des bestehenden Maschinenparks. Dabei werden der technische Zustand, die Leistungsfähigkeit und die Nachrüstmöglichkeiten jeder Anlage untersucht. Ziel ist es, Potenziale und Schwachstellen zu identifizieren und eine klare Priorisierung vorzunehmen.
2. Planungsphase:
Basierend auf den Ergebnissen der Analysephase wird ein individueller Umsetzungsplan erstellt. Dieser definiert konkrete Ziele, wie die Einführung von Echtzeitsystemen, die Integration von IoT-Sensoren oder die Verbesserung der Qualitätssicherung. Gleichzeitig werden Budget und Zeitrahmen festgelegt, um eine realistische Planung sicherzustellen.
3. Umsetzungsphase:
Die Nachrüstung erfolgt in klar definierten Schritten, oft in Abstimmung mit der laufenden Produktion, um Ausfallzeiten zu minimieren. Zu den Maßnahmen gehören beispielsweise die Installation von Schnittstellen, die Integration von Leitständen und die Implementierung von Track&Trace-Systemen.
4. Schulung der Mitarbeitenden:
Neue Technologien bringen neue Arbeitsweisen mit sich. Daher ist es entscheidend, die Mitarbeitenden frühzeitig einzubinden und umfassend zu schulen. Dies sichert nicht nur die Akzeptanz der Modernisierung, sondern stellt auch den effizienten Betrieb der nachgerüsteten Anlagen sicher.
5. Wartung und Optimierung:
Nach der Implementierung ist das Retrofit nicht abgeschlossen. Regelmäßige Wartung und die kontinuierliche Optimierung der Systeme stellen sicher, dass die Anlagen langfristig auf einem hohen technologischen Stand bleiben. Zudem können durch die gesammelten Daten neue Optimierungspotenziale erkannt und umgesetzt werden.
Mit diesem schrittweisen Ansatz können Unternehmen sicher und effizient den Weg zum digitalen Maschinenpark beschreiten. Retrofit ermöglicht es, bestehende Anlagen fit für die Industrie 4.0 zu machen, ohne dass komplette Neuinvestitionen erforderlich sind. Der nächste Schritt? Den ersten Schritt wagen – und die digitale Zukunft aktiv gestalten.
Beim Factory Excellence Network können wir einen solchen Prozess nicht nur organisatorisch begleiten, sondern haben durch unsere Netzwerkmitglieder – die Automation.Express mit Automatisierungslösungen, die Quality Miners mit Softwarelösungen (auch für SAP) und die T&O-Gruppe mit der Beratungskompetenz – alle Kompetenzen gebündelt.
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